23 Dez Querverschub schreibt Technikgeschichte
Heilbronn/Neckarsulm. Der Count-down ist gestartet: Nur noch wenige Wochen sind es bis zum Großereignis auf der Ausbaustrecke der A6: Der Querverschub des Neckartalübergangs! Am 13. Januar 2022 wird hierbei Technikgeschichte geschrieben. Vermutlich wurde noch nie zuvor ein so großes und so schweres Bauwerk so weit versetzt. Der 1,3 Kilometer lange Neckartalübergang, der die Talaue zwischen Neckarsulm und Heilbronn im Zuge der Autobahn A6 überspannt, wird verschoben. Um mehr als 20 Meter, genau genommen sind es 21,74 Meter, geht es Richtung Süden.
Allerdings nicht am Stück: Der neue Neckartalübergang besteht aus zwei Großbrücken: Der rund 820 Meter langen Vorlandbrücke als Spannbeton, und der über 510 Meter langen Neckarbrücke als Stahlverbundkonstruktion mit den unübersehbaren geschwungenen Wellen rechts und links der Fahrbahn. Seit April 2019 ist das nördliche Teilbauwerk des Neckartalübergangs in Betrieb, jedoch nur als Zwischenlösung.
Bekanntlich musste der alte Neckartalübergang komplett ersetzt werden, das Alter und die Belastung durch den überdurchschnittlichen Lkw-Anteil auf der wichtigsten Ost-West-Achse hatten der Brücke aus dem Jahr 1967 zugesetzt. Um den Verkehr überhaupt aufrecht zu erhalten, wurde dafür eine Hälfte des Neckartalübergangs zunächst neben der eigentlichen Verkehrsachse gebaut. Fachleute sprechen hier von einer provisorischen Seitenlage. Nach dem Abbruch des alten Viadukts und Neubau der Südhälfte muss dieses Brückenteil nun an Ort und Stelle verschoben werden; dies passiert mit dem bevorstehenden Querverschub.
Von den 23 Brückenpfeilern (davon ein Widerlager) der Vorlandbrücke werden an elf Pfeilern Hydraulikpressen, so genannte Litzenheber, montiert. Die ziehen in höchster Präzision die Brücke über ein System aus Teflon beschichteten Stahlplatten auf den sogenannten Verschubbahnen gleichmäßig in Richtung Süden. „Wir sprechen hier von einem Gesamtgewicht von 48.460 Tonnen“, erklärt Geschäftsführer Simon Dony von der Projektgesellschaft ViA6West, „das ist knapp fünf Mal so viel wie der berühmte Eiffelturm“. Das „Rüberziehen“ passiert allerdings weit im Schneckentempo; wenn’s gut geht bis zu 1,5 Meter die Stunde das sind 0,0015 km/h. Geplant ist, dass die Brücke nach rund zwölf Stunden an ihrer endgültigen Position ankommt.
Aber es gibt auch Unwägbarkeiten: Vor allem das Wetter könnte den minutiösen Plan zur Vorbereitung des Querverschubs durcheinanderwirbeln: Sollte es beispielsweise an dem Tag extrem stürmen, muss die Aktion aus Sicherheitsgründen abgeblasen werden. „Wir wollen hier nichts riskieren und stehen nicht unter Zeitdruck“, erklärt Axel Gatz. Der erfahrene Bauingenieur ist für die Bauarbeitsgemeinschaft (BauArge) von HOCHTIEF und Johann Bunte zuständig für den Ersatzneubau des Neckartalübergangs und trägt die Gesamtverantwortung für den Querverschub, „das wird wegen der komplexen, technischen Herausforderung sehr spannend“, sagt er.
Sollte das Manöver aus welchen Gründen auch immer nicht auf Anhieb klappen, hat man vorsichtshalber noch den Folgetag als Reserve einkalkuliert, „schließlich geht die Sicherheit für alle vor und die Brücke muss unbeschadet in ihre endgültige „Parkposition“ gebracht werden“, erklärt Axel Gatz.
Ist dann die Vorlandbrücke an Ort und Stelle, geht‘s zur nächsten Herausforderung. Mitte Februar 2022 wird die Neckarbrücke verschoben. Die Pause zwischen den beiden Ereignissen ist einfach erklärt: Die aufwendige Hydraulikausrüstung für den Querverschub muss umgebaut und an die Neckarbrücke angepasst werden. Dann beginnt das Spiel von vorne. Allerdings ist die Neckarbrücke im Vergleich zur Vorlandbrücke ein Leichtgewicht: sie wiegt „nur“ rund 20.000 Tonnen. Auch hier ist für den Querverschub ein Tag eingeplant mit der Option auf Verlängerung.
Die „Trennung“ der beiden Brückenbauwerke, der Vorland- und der Neckarbrücke ist relativ einfach: sie sind lediglich mit einer sogenannten Übergangskonstruktion verbunden. Diese ist für alle größeren Überführungen wegen der Materialausdehnung bei warmen und dem Zusammenziehen bei kalten Temperaturen erforderlich. Und beim Neckartalübergang ist das aber schon eine Hausnummer: Bei Hitze kann die Autobahnbrücke in ihrer Gesamtheit um bis zu 1,95 Meter in der Länge wachsen – oder bei Kälte sich auch zusammenziehen.
Ist das Bauwerk an Ort und Stelle, beginnt für die Straßenbauer die eigentliche Arbeit. Die beiden Brückenteile müssen an ihrer endgültigen Position eingepasst und die Zufahrten hergestellt werden. Ab Sommer 2022 kann hier der Verkehr rollen, dann ist die Baustelle endgültig Geschichte: Zwischen dem Walldorfer und dem Weinsberger Kreuz stehen ab Sommer 2022 jeweils drei Fahrstreifen in Richtung Mannheim und Richtung Nürnberg in voller Breite zur Verfügung.
Mehr Informationen unter http://www.querverschub.de
Sorry, the comment form is closed at this time.