Der Stahlkoloss wird verschoben

Der Stahlkoloss wird verschoben

Heilbronn. Zentimeterweise geht’s langsam voran. Genauer gesagt mit knapp zwölf Metern in der Stunde. Insgesamt viermal schiebt sich der Stahlkoloss über die Bahngleise, die Kanalstraße und den Neckar – dann ist es geschafft: Die 513,10 Meter lange Stahlbrücke überspannt zusammen mit der 830 Meter langen Vorlandbrücke aus Beton das Neckarvorland bei Heilbronn: Der Neckartalübergang ist damit das längste Autobahn-Brückenbauwerk in Baden-Württemberg. Mit der Gesamtlänge von rund 1,3 Kilometer ist der Brückenzug das Herzstück der aktuellen Arbeiten zum sechsstreifigen Ausbau der Autobahn A6 zwischen dem Weinsberger Kreuz und der Anschlussstelle Wiesloch/Rauenberg. Gestemmt wird diese Mammutaufgabe vom privaten Autobahnbetreiber ViA6West, der die Strecke im genannten Abschnitt noch die nächsten 27 Jahre betreibt und unterhält.

Seit Monaten wird auf den Termin zum ersten Verschub des zweiten Teilbauwerkes auf der Südseite hin gearbeitet, damit jetzt der erste Teil der Stahlbrücke in Richtung Westen verschoben werden kann. Das sind immerhin 1850 Tonnen Stahl, die mit riesigen Hydraulikstempeln, so genannten Litzenhebern, bewegt werden. Die ersten 93 Meter Brücke werden an drei Nächten vom 25. bis 28. März bewegt, jeweils zwischen 22 Uhr und 4.30 Uhr.

„Das Verschieben des ersten Taktes der neuen Neckarbrücke ist mit am heikelsten“, erklärt Dipl. Ing. Axel Gatz: Denn hier muss nämlich die tonnenschwere Konstruktion aus S 460-Stahl über die Bahngleise, obwohl man bereits aus dem Verschub des nördlichen Teilbauwerkes, das seit Anfang April 2019 sechsspurig in Betrieb ist, Erfahrung gesammelt hat. Direkt an der Baustelle verläuft die wichtige Bahnlinie Heilbronn – Würzburg, die AVG-Stadtbahn Richtung Sinsheim und Mosbach sowie die Fernverbindung für den Güterverkehr. Projektleiter Axel Gatz ist für die Bauarbeitsgemeinschaft (BauArge) von HOCHTIEF und Johann Bunte für die Neckartalbrücke verantwortlich – bei ihm laufen alle Fäden für das Großvorhaben zusammen. 

Aus Sicherheitsgründen muss während des Verschubs die Bahnlinie komplett gesperrt werden – deshalb die Nachtarbeit im so genannten Taktkeller. Im Minutentakt wird die Brücke an 36 daumendicken Stahlseilen gezogen, bis sie auf dem ersten Pfeiler bei der Kanalstraße aufliegt.

Die angewandte Technik stammt ursprünglich aus der Schiffsbergung: Litzenheber können mit relativ geringem Kraftaufwand riesige Lasten bewegen. Bei dem Brückenverschub ist es die Kraft von rund 300 Tonnen, die die 1850 Tonnen Stahl der 93 Meter problemlos bewegen – das passiert mit Hydraulik. Nach dem ersten Verschub gehen die Arbeiten an der Brücke sofort weiter. Dann werden die nächsten Stahlelemente für die nachfolgenden Verschübe zusammengeschweißt bis die Neckarbrücke in ihrer Endlage mit einer Gesamtlänge von 513,10 Meter und einem Gesamtgewicht von über 6000 Tonnen am westlichen Neckarufer Ende 2020 im Rohbau angekommen ist.

Für die folgenden drei Verschubtermine in der zweiten Jahreshälfte ist keine Bahnsperrung mehr erforderlich. Dann schützt ein Gleisschutzgerüst die Arbeiten. Dieses kann jedoch erst montiert werden, wenn die Stahlbrücke frei schwebt. Wenn die fertige Stahlbrücke letztlich in endgültiger Position ist, gibt’s die „Brückenhochzeit“. Am Neckarvorland trifft sie auf die Spannbetonbrücke, die ihr von der gegenüberliegenden Seite entgegen kommt.

Der Lückenschluss markiert gleichzeitig einen wichtigen Meilenstein der umfangreichen Bauarbeiten: Bis voraussichtlich Mitte 2022 soll alles fertig sein – der Verkehr kann dann zwischen dem Walldorfer und dem Weinsberger Kreuz auf der A6 als wichtigster Ost-West-Verbindung auf insgesamt sechs Fahrstreifen rollen.    

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